Dienstag, 9. Februar 2016

Emotionales Outsourcing.

Ein Freund von mir sucht (mehr oder minder aktiv) eine Partnerin. Das sorgt in unseren Unterhaltungen immer wieder für interessante und spannende Stories, schon allein, weil es unfassbar spannend ist andere Menschen und deren Lebensweise kennen zu lernen. Zumindest im Ansatz. Und es sorgt für überaus erstaunliche Einblicke in die scheinbar völlig verquere Gefühlswelt unserer Generation. (Wobei ich mich eigentlich nicht auf die eine Generation beschränken will, weil ich in der Tat gar nicht weiß, ob das ein aktuelles gesellschaftliches Drama ist, oder ob es schon zuvor alles so irrwitzig war).

Also was erzählte er mir?

Es beginnt ganz klassisch: Die Verkäuferin seiner Lebensmittel fand er ganz attraktiv und freundlich und je öfter er dort einkaufen ging, desto netter fand er sie. Irgendwann gingen sie aus, aßen leckere Sachen und unternahmen unterhaltsame Dinge. Bevor sich die freundschaftliche Beziehung intensivieren konnte wurde es - für mich - interessant. Die Dame erzählte ihm von irgendeinem Typ mit dem sie zeitgleich zu den Treffen mit ihm eine intimere Beziehung gepflegt habe, aber emotional sei das für sie nicht so interessant. Gegenüber meinem Freund sei es aber eher irgendwie anders rum. Und bevor sie sich da weiter emotional engagiere und die Beziehung intensiver und intimer würde, wolle sie gerne wissen wie es nun bei ihm aussähe. Genau. Es klingt irgendwie verdreht und kompliziert. Mein Freund sah mich recht entgeistert an und fragte mich, was das denn für ein Konzept sei. Was das solle. Ob das vielleicht emotionales Outsourcing sei. Hier vögeln und dort fühlen?! Ich musste lachen. Nicht zuletzt weil er eine ganz spezielle Art hat solcherlei Dinge zu erzählen.

Emotionales Outsourcing. Der Begriff blieb mir im Kopf. In den Tagen danach begegnete mir dieses 'Konzept' auch in ganz anderen Kontexten. Und zwar gar nicht mal so selten. Da werden Gefühle und Emotionen in Situation und an Personen abgeladen die damit überhaupt gar nichts zu tun haben. Um mal ein wenig abstraktes Beispiel zu wählen:

"Emotionales Outsourcing - Schwedenversion" Wir kaufen eine größere Menge Möbel zum Eigenaufbau zu Hause in einem großen Möbelhaus. Beim Aufbau zu Hause fehlt in einem Paket eine Schraube und in irgendeinem Holzstück ist ein Kratzer. Ausserdem lag der Hund in der Abwesenheit auf dem Sofa und hat dort seine Haare vom Typ Superhaftung eingearbeitet und der Chef hat uns am Tag zuvor mit irgendwas auf die Palme gebracht. Statt sich die fehlende Schraube im nächstgelegenen Baumarkt zu besorgen und sich zu sagen, dass sich der Kratzer an der Seitenwand des Schrankes befindet, welche niemand jemals sehen wird tut man folgendes: Wir packen frustriert und entnervt die Sachen wieder in den Karton, suchen noch eine halbe Stunde den Kassenbon um zu merken, dass er sich noch im Geldbeutel befindet und fahren 35 km zum Möbelhaus zurück. Die Fahrt über versuchen wir eine gewisse Aggressivität aufrechtzuerhalten und legen uns die Worte zurecht die wir dem Mitarbeiter an der Service-Theke an den Kopf knallen können. (Die Option in einem adäquaten Umgangston einen Umtausch des Artikels zu erbitten ist nicht verfügbar, da wir uns ja noch über die Hundehaare und den Chef aufregen. Dinge die wir glauben nicht ändern zu können). Das tun wir dann auch. Der Service-MA kann zwar nicht für unsere Lage und eigentlich wissen wir das auch, aber nach geglücktem Umtausch (okay…. wir finden es natürlich auch noch völlig überflüssig und unangebracht und nicht im geringsten Kundenorientiert, dass man den Umtauschartikel an der Warenausgabe abholen muss und er einem nicht direkt an der Service-Theke ausgehändigt werden kann), laufen wir selbstzufrieden durch den Laden, klopfen uns im Geiste auf die Schulter, dass wir es diesem furchtbar inkompetenten Konzern mal so richtig gezeigt haben, verlaufen uns fast im Labyrinth und kaufen uns danach einen Hot Dog. Weil mal ganz ehrlich: Selbst wenn alle völlig inkompetent sind in allen Bereichen…. des geht nichts über die Hot Dogs.

Was haben wir getan? Wir haben unseren Frust - der im Ausgangspunkt äußerst wenig mit dem mangelhaft verpackten Artikel zu tun hatte - an einer Stelle abgeladen wo er überhaupt gar nichts zu suchen hatte. Haben unsere Emotionen outgesourced. Und wir sind täglich von solchen Menschen umgeben. Jeden Tag sind wir mit Menschen konfrontiert, die ihren emotionalen Müll bei uns abladen und wir stehen in der Regel ziemlich irritiert da und fragen uns, was wir nun eigentlich gemacht haben. An manchen Tagen nehmen wir uns sowas sehr zu Herzen und an anderen Tagen merken wir ganz klar, dass wir damit überhaupt nichts zu tun haben und man gerade nur als Mülleimer missbraucht wird.

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